»Odice 1 – Schule der Hingabe«
Anais Goutier
Erotik
274 Seiten
Dritte Person, Vergangenheit
erotisch, sinnlich, sehnsüchtig
Odice
eine erfolgreiche Pariser Galeristin
Julien
ein berühmter Fotograf
Eric
ein knallharter Geschäftsmann
»Der außerirdische im Raumanzug kommt dort hin, neben die masturbierende Geisha mit dem rosa Kaninchen.«
Julien, weil er so aufmerksam und feinfühlig ist.
Odice, weil sie so mutig ist und sich wirklich ganz auf das unbekannte Abenteuer einlässt.
Leicht abgehoben mit vielen Begriffen aus Mode und Kunst, mit denen ich nicht wirklich etwas anfangen konnte. So konnte ich zu keinem Zeitpunkt vergessen, dass Julien und Odice zur kunstbegeisterten französischen Oberschicht gehören und sich gegenseitig mit ihrer Weltgewandtheit zu beeindrucken versuchen.
Odice ist schön, erfolgreich im Beruf aber sie hat kein Glück mit Männern. Ihre Beziehungen halten nicht einmal ein Jahr. Ihr schwuler Freund glaubt, dass sie vermutlich einfach zu dominant sei und lernen müsse, sich hinzugeben. Er hat auch gleich eine Adresse zur Hand, wo sie das lernen könnte: Im Hause der Brüder Lautréamont. »Die bringen Frauen wie dir Gehorsam bei.« Odice ist entsetzt, wer schlüpft denn schon freiwillig in die Rolle einer Liebessklavin? Doch der Gedanke verfolgt sie und schließlich lässt sie sich auf das Abenteuer ihres Lebens ein.
»Was um alles in der Welt hat dich hierher geführt, Odice Aneau? Du gehörst nicht hierher«, sagte er mit einem verzagten, fast verzweifelten Unterton und seine geflüsterten Worte klangen in ihren Ohren wie ihr eigenes Gewissen.
Mit diesem Buch habe ich unbekanntes Terrain betreten und so war ich stets gespannt, welche Dinge die Brüder sich noch einfallen lassen würden, um ihre Lust zu steigern. Dabei folgten meine Gefühle der Achterbahn, die Odice’ Gefühle im herrschaftlichen Anwesen der Brüder zurücklegen.
Der Kontrast zwischen den Brüdern. Sie tun das Gleiche, bei dem einem jedoch ist es sadistisch und beim anderen feinfühlig.
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»Odice 2 – Zeiten der Sinnlichkeit«
Anais Goutier
Erotik
274 Seiten
Dritte Person, Vergangenheit
Steh ein für das, was du haben willst!
Odice
eine erfolgreiche Pariser Galeristin
Julien
ein berühmter Fotograf
Eric
ein knallharter Geschäftsmann
»Ich hasse Haie in Aspik. Das ist so typisch 20. Jahrundert.«
Julien, der aus seinem Fehler gelernt hat und nicht bereit ist, Odice noch einmal ziehen zu lassen.
Ich habe Julien bewundert, wie geschickt er es versteht, das Dominante in die nunmehr gleichberechtigte Partnerschaft zu integrieren.
Die Spannung, die über allem lag. Bei jeder Szene gegen Ende des Buches erwartete ich einen erneuten Angriff von Erik und die Szenen beim Karneval waren für mich beim Lesen quasi mit einer bedrohlichen Musik unterlegt. Jener Musik, die in Filmen immer ankündigt, dass demnächst etwas Schlimmes passiert.
mitreißend geschrieben, vor allen in den erotischen Szenen überzeugt Anais Goutier mit großem sprachlichem Geschick.
Beinahe ein Jahr ist vergangen, seit Odice Aneau zu Gast auf dem Château de Lautréamont war. Ein zufälliges Wiedersehen mit ihrem eiskalten Engel Julien lässt überwunden geglaubte Gefühle neu entflammen, doch ihre Liebe verstößt gegen die Regeln und Eric ist fest entschlossen, die alte Ordnung wiederherzustellen.
Kaum war das Preludio verklungen, spürte Odice etwas Eigenartiges zwischen ihren Beinen. Zuerst glaubte sie, das seltsam vibrierende Gefühl sei auf irgendeine Art von nervlichen Missempfindungen zurückzuführen und überschlug die Beine. Doch das sanfte Vibrieren ließ nicht nach und sie verspannte sich in Juliens Umarmung.
Dann war es plötzlich vorbei und sie atmete erleichtert auf.
»Du trägst ihn also doch«, raunte Julien mit einem wissenden Lächeln auf den sinnlichen Lippen und im gleichen Moment begann es erneut, leicht an ihrer Klitoris zu surren.
»Was hast du dir jetzt wieder einfallen lassen?« fauchte Odice.
»Es ist ein kleiner Chip, eingenäht in dein Höschen und verbunden mit der Fernbedienung in meiner Tasche«, erklärte Julien ruhig und beflissen.
Odice riss empört die Augen auf. »Das ist nicht dein Ernst!«
»Doch das ist es. Aber der Chip ist nicht dazu da, dich zu quälen. Ich will dich nicht ärgern, dich nicht von der Oper ablenken. Er soll dir nur zusätzlichen Genuss verschaffen, ganz sanft und allmählich.«
»Aber du hast die Kontrolle über das, was zwischen meinen Beinen geschieht«, zischte Odice aufgebracht.
»So ist es und ich werde diese Tatsache sehr zu genießen wissen.« Julien grinste spöttisch. »Aber ich habe nicht vor, diese Macht zu missbrauchen. Ich möchte, dass du diesen Abend mindestens ebenso sehr genießt, wie ich.«
Odice warf ihm einen skeptisch argwöhnischen Blick zu.
Dann lauschten sie wieder der Introduzione, der Eröffnung der Bühnenhandlung. Während des gesamten ersten Aktes blieb es ruhig in Odice‘ Höschen und sie konnte sich ganz auf die herrliche Musik und auf die Exposition der tragischen Liebesgeschichte konzentrieren, an deren Ende die Liebenden mit dem berühmten Kamelienversprechen auseinandergingen.
Auch in der ersten Pause, die sie bei Champagner und Häppchen in einem der mit barocken Deckengemälden und üppigen Stuckaturen ausgestatteten Nebensäle verbrachten, regten sich die sanften Vibrationen kein einziges Mal und Odice hegte schon mit leichter Häme den Verdacht, die Batterien seien bereits erschöpft.
Dass dem nicht so war, musste sie erst im zweiten Bild des zweiten Aktes feststellen. Es war die Ballszene, in der die tragischen Missverständnisse ihren Lauf nahmen und Alfredo Violetta in blinder Eifersucht vor allen Gästen als Hure bloßstellte und auf entwürdigende Weise für ihre erbrachten Liebesdienste entlohnte.
»Warum ausgerechnet jetzt?« zischte Odice.
»Weil mich diese Szene an die Vorführung einer Sklavin erinnert – eine demütigende und zugleich äußerst erotische Konstellation«, gab Julien flüsternd zurück und seine blauen Eisaugen blitzten vergnügt.
Odice gab einen verächtlichen Laut von sich, doch sie musste auch zugeben, dass sich die zurückhaltenden Stimulationen tatsächlich ziemlich gut anfühlten, wenn man bereit war, sich darauf einzulassen.
Es fühlte sich an wie eine milde Massage, nicht zu fest und nicht zu mechanisch, sondern fast so, als sei es Juliens Daumenkuppe, die immerfort in gleichmäßig ruhigem Takt über ihrer Klitoris kreiste.
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»Imoral – Le Contrat«
Anais Goutier
Erotik
212 Seiten
Ich-Perspektive, Gegenwart
erotisch, voller Unvorhergesehenem
Madeleine Améry
Studentin der Kunstgeschichte
Raphaël Cartreux
Millionär aus der Finanzbranche
Immer wieder fokussiert sich mein Blick auf das zierliche Perlenarmband, das er an seinem Handgelenk trägt, und wandert dann über die eindrucksvollen, perfekt modellierten Armmuskeln zu seiner breiten Brust.
Raphael, der seine Gedanken und Gefühle so ungeschönt zum Ausdruck bringt, ohne Furcht zu empfinden, dafür verspottet zu werden. Er selbst gestattet sich seine Gefühle, deshalb träfe es ihn nicht, wollte jemand anderes sie klein oder schlecht reden.
Die Dialoge und die Geduld, die Raphael an den Tag legt, um endlich doch sein Ziel zu erreichen.
erotisches Dauerprickeln.
Ich war vom ersten Wort an gefesselt.
Madeleine Améry recherchiert für ihre Abschlussarbeit im Louvre, als sie von einem ungemein attraktiven und äußerst selbstbewussten Mann angesprochen wird. Raphaël Cartreux macht ihr ein zutiefst unmoralisches Angebot, das sie rundweg ablehnt. Aber dann gerät das alte unabhängige Kino in Gefahr, an dem ihr Herz hängt, und sie ist versucht, es mit der angebotenen Nacht als Liebessklavin freizukaufen. Wird sie das Wagnis eingehen, sich einem unbekannten Mann auszuliefern?
»Sie sitzen schon mindestens eine halbe Stunde hier. Warum ausgerechnet dieses Gemälde?«, möchte er noch immer lächelnd wissen. Er spricht leise und das sonore Vibrato seiner Stimme gefällt mir.
Dennoch runzele ich skeptisch die Stirn. »Sie haben mich beobachtet? Man sollte meinen, im Louvre gäbe es weitaus interessantere Gegenstände der Betrachtung als eine Frau auf einer Museumsbank.«
»Nicht unbedingt. Jedenfalls nicht, wenn es sich um eine beeindruckende Frau vor einem nicht minder eindrucksvollen Gemälde handelt.«
Er flirtet so ungeniert, als wären wir in einer Bar und nicht im Salle Mollien. Vermutlich liegt es allein an seiner angenehmen Stimme und seinem attraktiven Äußeren, dass ich mich von seinen Worten sehr viel mehr geschmeichelt als belästigt fühle.
Ich lächele und schaue dann demonstrativ in mein Notizbuch, das aufgeschlagen auf meinen Knien liegt.
»Ich sehe schon, ich störe Sie, Mademoiselle. Sie sind keine Touristin und keine Künstlerin. Sie schreiben über Kunst. Warum ausgerechnet der Tod des Sardanapal?«
Ich klappe mein Notizbuch zu und sehe ihn an. Diesmal treffen sich unsere Blicke und ich nehme überrascht zur Kenntnis, dass er an einer traumatischen Mydriasis leidet. Wie bei David Bowie sind seine Pupillen unterschiedlich groß, wodurch sein eines Auge silbrig, das andere stahlblau wirkt.
»Woher wollen Sie wissen, dass ich keine Touristin bin?«
»Touristen haben Museumsführer, Kunststudenten Skizzenblöcke, Sie aber haben ein altes Notizbuch und können sich stundenlang in ein Gemälde vertiefen. Ich wette, Sie sind auch keine Journalistin. Sie sind Kunsthistorikerin und schreiben einen Aufsatz über Delacroix.«
Ich grinse. »Lassen Sie mich raten: Sie sind consulting detective für Scotland Yard und langweilen sich schrecklich in Ihrem Paris-Urlaub.«
Er lacht und es klingt warm und ansteckend.
»Nicht ganz, ich bin in der Finanzbranche tätig. Raphaël Cartreux.« Er streckt mir seine Hand hin und reflexartig greife ich danach.
Sein Händedruck ist fest und zupackend, aber für meinen Geschmack einen Augenblick zu lang. Dadurch habe ich allerdings Gelegenheit zu registrieren, dass es eine besonders schöne Männerhand ist, die meine da umgriffen hält. Seine Finger sind lang und schlank, die Haut samtweich, die Nägel sehr gepflegt.
»Madeleine Améry«, murmele ich. »Ich studiere Kunstgeschichte.«
»Dachte ich es mir doch«, erklärt er mit einem triumphierenden Lächeln. »Dann schreiben Sie also eine Hausarbeit über Delacroix?«
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»Imoral 2 – La Passion«
Anais Goutier
Erotik
230 Seiten
Ich-Perspektive, Gegenwart
Springe über deinen eigenen Schatten!
Madeleine Améry
Angestellte in einer Kunstgalerie
Raphaël Cartreux
Millionär aus der Finanzbranche
»Maddie! Kannst du mal bitte herkommen? Ich möchte, dass du dir das hier ansiehst.«
Madeleine, mit ihrem Sinn für Moral, mit ihrer Loyalität und ihrem Mut, dem eigenen Herzen zu folgen, auch wenn sie sich selbst dafür ein stückweit verleugnen muss.
Dass es für beide Protagonisten nicht leicht ist, den Weg des Herzens zu gehen. Das ist sehr glaubhaft für den Leser dargestellt.
In diesem Band steht weniger das Erotische im Vordergrund, sondern mehr die Geschichte. Ein Abschlussband, der Raum für eine Fortsetzung bietet.
Ich liebe Anais Schreibstil!
Inzwischen hat Madeleine den Liebeskummer überwunden und ist mit dem angesagten aber egoman veranlagten Künstler Rasmus Jornsen liiert. Ihre Welt kommt ins Wanken, als sie bei einer Preisverleihung Raphaël Cartreux erneut über den Weg läuft. Auf einen Schlag sind die alten Gefühle wieder da. Nun gilt es für beide herauszufinden, was sie sich im tiefsten Inneren wünschen und den Mut aufzubringen, den Weg des Herzens dann auch zu gehen, egal was es kosten mag.
Auch Thierry nimmt einen Schluck Wein. »Und jetzt zu dem wirklich interessanten Teil: Wie war es, ihn zu küssen?«
Ich seufze und fahre unwillkürlich mit der Zungenspitze über meine wundgeküssten Lippen, die noch immer nach ihm schmecken.
»Wie Regen in der Wüste«, flüstere ich.
Thierrys Augen strahlen, während ich schuldbewusst den Blick senke.
»Ich hatte ja keine Ahnung, wie sehr dich Rasmus hat darben lassen«, meint er mit einem süffisanten Grinsen.
»Das wollte ich damit nicht sagen«, beeile ich mich zu relativieren. »Ich meine, es war anders und … einfach besonders. So, als würde die Welt stillstehen für diesen Kuss.«
»Wow!«, schwärmt Thierry mit glänzenden Augen. »Klingt ganz so, als hättest du deine Entscheidung schon getroffen.«
Ich schüttele vehement den Kopf. »Nein, ich bin mit Rasmus zusammen und wir sind glücklich miteinander«, sage ich fest. »Das kann ich nicht kaputtmachen. Ich darf Raphaël nicht wiedersehen.«
Thierry grinst. »Wie ich Raphaël Cartreux einschätze, wird er diese Entscheidung wohl kaum dir überlassen. Oder hast etwa du dich bei der Preisverleihung eingeschlichen und ihn vor der Galerie Aneau abgepasst?«
»Aber nochmal wird er das nicht tun. Du vergisst, dass ich ihn geküsst und ihm dann die Tür vor der Nase zugeschlagen habe. Er wird keinen weiteren Versuch unternehmen, mich zu sehen, und ich sollte froh darüber sein und es dabei belassen.« Ich wollte entschlossen klingen, aber tatsächlich bebt meine Stimme vor Kummer.
Thierry sieht mich über sein Weinglas hinweg aufmunternd an. »Kopf hoch, Madelon. Ich glaube nicht, dass ein Mann wie Raphaël Cartreux so schnell und einfach aufgibt.«
»Aber sollten wir nicht genau das hoffen? In seiner Nähe bin ich nicht Herrin meiner Sinne, Thierry. Er wirkt wie ein Magnet auf mich, seine Aura ist wie der verhängnisvolle Gesang der Sirenen. Es ist mir schon gestern kaum gelungen, seiner Anziehungskraft zu widerstehen und heute dann dieser unglaubliche Kuss. Jede Faser meines Körpers verzehrt sich nach ihm.« Ich verstumme und schüttele schuldbewusst den Kopf. »Das hat Rasmus nicht verdient. Ich darf Raphaël auf keine Fall wiedersehen.«
»Ich denke, zuerst einmal solltest du dir über deine Gefühle für beide klarwerden, Madelon. Aber jetzt essen wir erst einmal in Ruhe unsere Ratatouille.«
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»Schneeflocken im Bauch«
Anais Goutier
Winterzauber
140 Seiten
Ich-Perspektive, Gegenwart
verführt von dem, was sie ablehnt
Chloé Farouche
Genderforscherin
Nicolas Glace
CEO einer großen PR-Werbe-Agentur
Merde alors! Es gibt Tage, an denen sollte man einfach im Bett bleiben.
Nicolas, der sein psychologisches Wissen nutzt und sich von Chloes ablehnendem Gebaren nicht aufhalten lässt, ohne dabei jedoch aufdringlich zu werden. Ich bewundere sein Selbstbewusstsein, mit dem er seiner eigenen Wahrnehmung traut und sich von gegenteiligen Worten nicht in die Irre führen lässt.
Die erotischen Spiele im Schein des Kaminfeuers.
Bewunderung für Anais’ feinfühlige und gekonnte Art, erotische Szenen zu schreiben.
Diesmal habe ich etwas gebraucht, um in die Geschichte hineinzukommen. Das Buch beginnt mit einem gewöhnlichen Geplänkel zwischen den Protagonisten, verdichtet sich dann aber immer mehr, bis es in einem erotischen One Night Stand gipfelt. Für mich wurde es ab dem überraschenden Kuss spannend.
Am 23. Dezember versinkt alles im Schneechaos, deshalb muss Genderforscherin Chloe im letzten Augenblick umdisponieren und den Zug von Paris nach Marseille nehmen, um die Weihnachtsfeiertage bei ihrer Familie verbringen zu können. Im überfüllten Zug wird sie gestoßen und fällt einem Mann auf den Schoß, dem sie niemals so nahe hatte kommen wollen: Nicolas Glace, dem chauvinistischen Wirtschaftspsychologen, der ihr bei einer Podiumsdiskussion den letzten Nerv geraubt hat.
»Oui, Maman. Ich bin im Zug. Nein, bislang haben wir keine Verspätung. Bis dann!«
Ich lasse das Telefon in meine Manteltasche rutschen und werde im gleichen Moment von einem wuchtigen Rucksack touchiert. Der Augenblick der Unaufmerksamkeit in Verbindung mit dem Aufprall genügt, um mich von den Füßen zu reißen. Beinahe ungebremst lande ich auf dem benachbarten Sitz. Der allerdings, wie beinahe alle anderen Plätze, besetzt ist.
»Setzen Sie sich doch.« Die feinherbe Stimme klingt ironisch und amüsiert.
Völlig verdattert blicke ich zu dem gut gekleideten Mann auf, auf dessen Schoß ich gelandet bin.
Merde! Das kann doch jetzt wirklich nicht wahr sein! Anfang dreißig, dunkelblondes Haar, Anderthalbtagebart, graublaue Augen, markante Züge, Maßanzug.
Einen Moment lang starre ich Nicolas Glace an wie ein hypnotisiertes Kaninchen.
Dann fährt mein abgestürztes Betriebssystem langsam wieder hoch.
»Bitte entschuldigen Sie, Monsieur«, murmele ich mit abgewandtem Gesicht, in der Hoffnung, dass er mich nicht erkannt hat, und versuche mich schnellstens aufzurappeln.
»Was soll ich entschuldigen, Mademoiselle Farouche? Den Kaffee auf meinem Hemd oder die hübsche Frau auf meinem Schoß?«
Nom de Dieu! Das Kaffee-Malheur war mir noch gar nicht aufgefallen! Und natürlich hat er mich erkannt. Er kann sich sogar an meinen Namen erinnern! Und er ist im realen Leben genauso chauvinistisch wie bei der Podiumsdiskussion vor wenigen Wochen, bei der dieser arrogante und nebenbei bemerkt höllisch attraktive Wirtschaftspsychologe, CEO einer international tätigen PR-Agentur und Multimillionär ernsthaft vertreten hat, dass die Genderforschung keine wissenschaftliche Disziplin, sondern lediglich eine modische Ideologie sei, und Feministinnen per se unter Minderwertigkeitskomplexen leiden. An diesem Abend ist mir gleich mehrmals die Hutschnur geplatzt und unsere hitzigen Wortgefechte haben nicht unbedingt der Etikette des klassischen wissenschaftlichen Disputs entsprochen.
Ich starre auf die Kaffeespritzer auf seinem strahlend weißen Businesshemd und spüre, wie mir Hitze in den Kopf schießt. Vermutlich hat mein Gesicht bereits die Farbe einer vollreifen Tomate angenommen.
»Was ist, Mademoiselle Farouche? Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?«, fragt er amüsiert.
»Warum fahren Sie Zug? Hätten Sie einen Flieger genommen, wäre das nicht passiert.« Merde! Das ist mir zwar gerade durch den Kopf gegangen, aber ich hatte nicht geplant, es auszusprechen. Es ist mir einfach so herausgerutscht.
Nicolas Glace hebt irritiert beide Augenbrauen, als hätte er nicht richtig gehört.
»Sie haben recht, Mademoiselle Farouche. Ich hätte in der Tat einiges verpasst, wäre mein Flug nicht gecancelt worden«, entgegnet er dann trocken. »Wie übrigens sämtliche Flüge von Paris.«
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»Pulverschnee mit Sternenstaub«
Anais Goutier
Winterzauber
204 Seiten
Ich-Perspektive, Gegenwart
wage alles!
Coralie Laroux
Künstlerin
Ethan Caine
Musiker
»Papa, lass das! Du weißt doch, dass Paul Bocuse nichts vom Tisch bekommen soll. Und dass er keine Hülsenfrüchte verträgt.«
Ethan, der verzweifelt versucht, sich selbst unter all dem Erfolg nicht zu verlieren.
Coralie, die alles wagt, um später nichts bereuen zu müssen.
Obwohl die Autorin lediglich aus Sicht von Coralie berichtet, streut sie genügend Informationen ein, dass ich mich völlig in Ethan hineinversetzen konnte. Für ihn muss der kurze Aufenthalt in der »Normalität« wie ein Aufatmen gewesen sein. Gewiss war er genauso verzaubert wie ich von dem Familienleben und der Auszeit, die sich die Familie rund um Weihnachten gönnt.
In der Protagonistin fand ich mich selbst wieder. Ihre innere Zerrissenheit, ihr Zögern vor dem Sprung, um es am Ende dann doch zu wagen. Wegen mir hätte die Geschichte noch nicht einmal gut ausgehen müssen, denn das, was Coralie mit Ethan erlebt hat, kann ihr niemand mehr nehmen. Er hat sie wachgerüttelt und sie davor bewahrt, ihre Träume zu begraben, die noch irgendwo tief in ihr schlummerten.
sehr anschaulich geschrieben. Ich war dort, in jenem schönen herrschaftlichen Haus, in dem sich die französische Familie zum Weihnachtsfest versammelt, ihre Traditionen feiert und in gutem Essen schlemmt. Was gäbe ich darum, ebenfalls von den Köstlichkeiten naschen zu können, die dort aufgetischt werden!
Weihnachten mit der Familie ist schön, aber auch anstrengend. Als Coralie entnervt zur nächtlichen Hunderunde aufbricht, stolpert sie förmlich über einen jungen Straßenmusiker, der im dichten Schneetreiben auf einer Parkbank seinen Rausch ausschläft und bei den eisigen Temperaturen zu erfrieren droht. Kurzerhand nimmt Coralie den vermeintlichen Clochard mit nach Hause, ohne zu ahnen, dass der charmante Brite mit dem blonden Wuschelhaar und den himmelblauen Augen alles durcheinanderbringen wird. Denn Ethan spielt nicht nur phänomenal Gitarre, er stiehlt sich auch in Coralies Herz.
Als sich herausstellt, dass Ethan nicht ist, wofür er sich ausgibt, ist das Chaos perfekt, und Coralie steht vor der schwierigsten Entscheidung ihres Lebens. Da kann nur noch ein Weihnachtswunder helfen.
Ethan kommt auf meine Wagenseite, um mir gentlemanlike die Tür zu öffnen. Ich steige aus und mit einem Mal fühlt es sich an, als würde die Luft zwischen uns vibrieren. Ich will ihn, wie ich nie zuvor einen Mann wollte auf dieser Welt. Aber mein Freund in Genf hat schon den Verlobungsring gekauft und er wird spätestens übermorgen hier sein, um mich damit zu überraschen.
Als Ethan Anstalten macht, mich zu küssen, verschränke ich die Arme vor der Brust. Plötzlich stehen wir uns gegenüber wie unbedarfte Teenager, die nicht wissen, wie sie zueinander kommen sollen. Ich fühle mich wie ein sechzehnjähriger Backfisch, vollkommen überfordert mit mir und der Situation. Eine seltsam betretene Stille ist die Folge.
»Das war ein schöner Abend«, sage ich mit belegter Stimme.
Ethan lächelt. »Ja, finde ich auch.«
»Ich meine, ein wirklich sehr schöner Abend. Der schönste, den ich seit sehr langer Zeit erlebt habe.«
»Geht mir genauso«, murmelt er mit diesem schiefen Grinsen auf den Lippen.
»Ich denke, du verstehst, dass ich jetzt trotzdem durch diese Tür gehen werde und du durch die da drüben.« Ich weise in Richtung Gärtnerhaus.
Ethan seufzt. »Habe ich wirklich nicht die kleinste Chance bei dir, Coralie Lacroix?«
Ich beiße mir auf die Unterlippe und weiche seinem forschenden Blick aus. »Ich und Jules …«
Ich verstumme erschrocken, als Ethan meine Schultern packt.
»Zum Teufel mit diesem Jules, Coralie!«, poltert er frustriert. »Flechtet Jules mit dir Girlanden und seid ihr schon mal zusammen Karussell gefahren? Liebt ihr die gleichen Bücher, die gleichen Filme, die gleichen Platten? Kannst du mit ihm über deine Kunst reden, über deine wunderbaren Fotografien? Ist ihm klar, was für eine brillante Künstlerin du bist, Coralie?«
Ich schüttele den Kopf und zwinkere verzweifelt gegen die Tränen an, die in meinen Augen brennen.
»Aber Jules liebt mich«, schluchze ich. »Ich kann ihn nicht betrügen.«
Ethan nickt und lässt meine Schultern los.
»Ich hoffe, der Kerl weiß, was für ein verdammtes Glück er hat«, erklärt er durch zusammengebissene Zähne.
Ich schlucke hart, als sich dennoch eine Träne aus meinem Augenwinkel löst. »Es tut mir leid, Ethan.«
Ich halte verwirrt die Luft an, als er die Hand hebt, um mir mit seiner Daumenkuppe unendlich zärtlich die Träne von der Wange zu wischen.
»Gute Nacht, Coralie«, sagt er leise.
Dann dreht er sich um und stapft ohne ein weiteres Wort in Richtung Gärtnerhaus davon.
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