spannender High Fantasy Liebesroman

»Wahrheit & Täuschung« Band 3

Sie ist die Göttin der Wahrheit

Er ist der Daimon der Täuschung und des Betrugs

Todfeinde mit dem selben Ziel

Klappentext:

Aletheia & Dolos

Aletheias Rettungsplan ist entgleist. Tiepa, die das Überleben des Planeten sicherstellen soll, steht selbst vor dem Tod.

 

In einem Akt der Verzweiflung entführt Aletheia den Menschenjungen Andi von der Erde. Seine reine und selbstlose Liebe soll Tiepas Tod hinauszögern.

 

Doch Andi ist mit seiner platonischen Retter-Rolle keineswegs zufrieden und fordert Tiepa stattdessen ganz für sich.

 

Wird es Aletheia und Dolos gelingen, die Geschehnisse wieder in die rechte Bahn zu lenken?

Leserstimmen:

»Erstmal hat dieser Band auch wieder einen tollen Schreibstil, eine innovative Story und einen tollen Humor.« LadyM
»Die Geschichte wird mit jedem Band mitreißender. Die Autorin hat hier Welten erschaffen, die einfach phantastisch sind.« Ilona67
»Ich habe mich gut unterhalten und zwischenzeitlich schon mal in die ersten beiden Bände hinein geschnuppert, die ich jetzt ganz lesen werde. Ich kann das Buch nur empfehlen«. Quereinsteiger Reni1950
»Die Sprache war wieder mal sehr mitreißend, emotional und voller Tatendrang!« Isis99

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»Geburt einer Göttin«

den ersten Band der Philian-Reihe. So kannst du dir unverbindlich ein Bild von meinem Schreibstil machen.

Leseprobe

Kapitel 1

Dolos – Daimon der Täuschung und des Betrugs

* * *

Verflucht, die elende Göttin hat mich abserviert. Möge sie sich tausend Mal in die Finger stechen und alle Rüschen falsch herum annähen. Ich werfe mich aufs Bett und ziehe mir die Decke bis an die Ohren.

Stunde um Stunde habe ich vergeblich im Salon gewartet, doch Aletheia hat sich in der Arbeit an dem neuen Kleid verloren. Benötigt sie nicht meine Auskunft zu dem Sklaven auf Yjos, der die Welt für sein Schicksal bezahlen lassen will, als Sklave geboren worden zu sein? Evanas rachesüchtige Pläne bedrohen das Fortbestehen ganz Philians, doch Aletheia verspielt sich jede Kooperationsbereitschaft von meiner Seite und widmet sich lieber ihren bescheuerten Näharbeiten. Dabei könnte sie das Kleid ebenso gut mit einem Fingerschnips fertigstellen, aber nein, sie muss es ja unbedingt von Hand erledigen.

Feige Göttin! Anstatt mit mir über die Zukunft ihres Planetensystems zu verhandeln, vergräbt sie sich lieber hinter schwarzen Rüschen. Ich boxe in mein Kissen. Dieses ganze Theater veranstaltet sie doch nur, weil sie ganz genau weiß, dass ich sie ansonsten heute Abend noch in mein Bett gelockt hätte.

Nachdem ich Elia für sie durch die Pforte nach Feuerland gebracht habe, schuldet sie mir Dank. Wenn ich ihr dann noch verraten hätte, was sie tun kann, um die Katastrophe auf Yjos abzuwenden … Ach verflucht, ihre Erleichterung hätte sie mir gegenüber willig gestimmt. Ein kleiner Kuss, ein paar schöne Worte, und sie wäre mir willenlos ins Bett gefolgt. Dann hätte ich mein Ziel bereits erreicht, sie gehörte mir, ganz Philian gehörte mir und wartete nur auf meine Befehle. Nie wieder müsste ich so allein auf meiner Matratze liegen, mit Wutgrummeln im Bauch und …

Genug! Es lohnt sich nicht, länger darüber nachzudenken, was hätte sein können, wenn meine Pläne geglückt wären. »Kommt!«, knurre ich zu meinen Geschöpfen auf dem Teppich hin.

Die Füsse reagieren sofort, hüpfen aufs Bett und schmiegen sich an mich.

Elende Kreaturen, so war das nicht gemeint! Ich schubse sie weg, da besinnen sie sich ihrer Pflicht und patschen auf meinem Rücken herum.

Schon besser. Ah, das tut gut. Natürlich hätten mich Aletheias Liebkosungen noch mehr entspannt, aber immerhin. Ich konzentriere mich ganz auf den Massagerhythmus meiner Geschöpfe, schiebe alle anderen Gedanken zur Seite und dämmere bereits hinweg, da spüre ich, wie Aletheias Präsenz verschwindet.

Verflucht, sie hat mich reingelegt! Mit einem Satz springe ich aus dem Bett, die Füsse landen platschend auf dem Marmorboden. Ich renne die Treppe hinunter und schlittere eine Viertelsekunde später in den Tanzsaal.

»Was ist los?«, ruft die Leinwand erschrocken und ein paar Farbflecken erscheinen auf ihrem weißen Antlitz. »Ich dachte, du schläfst längst.«

»Aletheia hat Kiephos verlassen«, zische ich und lasse mich auf meinen Diwan fallen. »Rasch, zeige mir den Weiher, Lintea.«

Sofort erscheint ein in Öl gemaltes Bild auf der Leinwand. Ein versteckter Waldsee an einem sonnigen Morgen im April, Nebel hängt noch zwischen den Tannen am Ufer, Vogelgezwitscher und das Summen erster, fleißiger Insekten.

Ich zerquetsche einen Fluch zwischen meinen Zähnen.

»Woher weißt du, dass sie zur Erde unterwegs ist?«, fragt Lintea nach einigen Minuten des Schweigens. »Sie könnte auch zu einem ihrer Planeten gegangen sein.«

»Nein«, knurre ich. »Sie will Tiepa retten.« Und damit ich ihr dabei nicht ins Handwerk pfusche, hat sie so lange gewartet, bis sie sicher sein konnte, dass ich eingeschlafen bin. Hinterhältige Göttin!

»Aber warum geht sie erst jetzt? Die Bindung fand doch bereits vor Tagen statt.«

Ich werfe Lintea einen bösen Blick zu. Sehe ich etwa aus, als ob ich Lust zum Erklären hätte? Nein! Doch mein finsterer Blick wirkt bei ihr nicht. Im Gegenteil, sie beginnt, zu blinken. Oh Elend mit der Weiberwelt! Ich verdrehe die Augen und quetsche ein: »Zum-damaligen-Zeitpunkt-war-noch-nicht-abzusehen-dass-Elia-in-die-Zeitverzerrung-geraten-würde-aber-jetzt-ist-klar-dass-er-nicht-rechtzeitig-zurückkommt-bevor-Tiepas-Frist-abläuft« zwischen den Zähnen hindurch.

»Gut«, antwortet Lintea langgezogen. »Tiepa kann allenfalls vierzehn Nächte ohne Elia überleben und natürlich kann Aletheia nicht einfach zusehen, wie ihr mühsam gezüchtetes Tränenkind stirbt, bevor es seine Mission erfüllt hat, aber wen bitteschön will sie um Hilfe bitten?«

»Was weiß ich?«, blaffe ich Lintea an. Ich hasse Rüschen! Auf der Leinwand beginnen Punkte zu blinken, ich verdrehe die Augen. »Auf jeden Fall wird sie Himmel und Erde in Bewegung setzen, um die verhängnisvolle Bindung rückgängig zu machen.«

»Ich dachte, es gäbe keine Möglichkeit, ein Kescher-Kitin wieder zu lösen?«, fragt Lintea etwas verschnupft.

»Gibt es auch nicht.« Ich seufze. »Tiepa wird sterben, egal, was Aletheia zu ihrer Rettung unternehmen wird, aber du kennst sie ja. Sie gibt niemals auf und kämpft bis zum Letzten, wenn es um ihr Planetensystem geht.« Es sei denn, es gilt, mich um Hilfe zu fragen, dann kneift sie. Grimmig starre ich das Bild des Weihers an. Egal, was sie vorhat, es wird sicher schief laufen und sie in noch größere Schwierigkeiten hineinreiten. Das liegt nicht in meinem Interesse. Mit irgendwelchen panikgesteuerten Aktionen gefährdet sie nicht nur ihre eigenen Planeten, sondern auch das Überleben meiner Planetenhälfte, die ich ihr bereits abgeluchst habe.

»Was will sie dann auf der Erde?«, grollt die Leinwand. »Dort gibt es niemanden, den sie um Rat fragen könnte. Höchstens vielleicht Zahur, aber der wird ihr sicher nicht helfen. Er hat ja nicht einmal eingegriffen, als du dir Feuerland unter den Nagel gerissen hast, dabei ist Samiela sein Planet, den er mit Aletheia zusammen gezeugt hat.«

»Natürlich wird er sie abweisen«, knurre ich. »Das hindert Aletheia jedoch nicht daran, ihn aufzusuchen und mit ihrem Bittgesuch möglicherweise doch noch gegen mich aufzuhetzen. Du darfst sie auf keinen Fall aus den Augen verlieren, hörst du? Sie fliegt sehr schnell.«

»Ich tue mein Bestes«, brummt die Leinwand.

Weitere Minuten des Wartens verstreichen, doch alles bleibt ruhig. Nur der Wind bewegt die Zweige der Trauerweiden am Ufer, das Träumen eines jungen Frühlingsmorgen in ungestörter Natur.

»Vielleicht ist sie doch wo anders hingegangen«, bemerkt Lintea endlich. »Soll ich mal auf Samiela nach ihr schauen?«

»Nein, sie wird gleich auftauchen.«

Und richtig: Da kündigt sich ihre Ankunft auch schon an.

Ein Leuchten am Grunde des Weihers. Wie ein Blitz schießt die Göttin zur Wasseroberfläche und schwingt sich in die Luft hinauf. Im nächsten Augenblick ertönt ein dumpfer Schlag und sie trudelt zur Erdoberfläche zurück. Die Luft bläht ihren weitschwingenden schwarzen Rock und gibt den Blick frei auf ihre nackten Beine. Erst kurz vor dem Wasser gelingt es ihr, den Fall zu stoppen, fauchend fährt sie herum. »Was soll das? Bist du verrückt geworden, Lachesis?«

Als Antwort ertönt nur ein abfälliges Lachen.

Linteas Fokus schwenkt zu der leicht bekleideten Göttin hinüber. Lässig an den Baumstamm gelehnt, steht sie unter der Weide am Ufer, nur ein feines Tuch um die Hüften geschlungen, weniger verhüllend als offenbarend. Ihre dunkelblonden Locken wehen im Wind und ein spöttisches Lächeln kräuselt ihre Lippen. »Die Große Göttin vom fernen Planetensystem Philian – da sieh an!« Lachesis deutet eine alberne Verbeugung an. »Was verschafft der Erde die Ehre deines Besuches?«

Gereizt schleudert Aletheia einen Blitz in die Luft und für den Bruchteil einer Sekunde wird das Hindernis sichtbar: Eine grünschillernde Kuppel wölbt sich über den Weiher und schirmt ihn von der Außenwelt ab. »Was soll das? Wieso verweigerst du mir den Zugang zur Erde?«

»Eine reine Vorsichtsmaßnahme, nichts weiter«, antwortet Lachesis gelassen.

Aletheia zischt. »Öffne mir sofort den Schild!«

»Ich wüsste nicht wieso«, gibt Lachesis gelangweilt zurück und betrachtet ihre Fingernägel. »Auf der Erde besitzt du kein Eigentum mehr, nachdem du deine Menschen nach Philian zurückgeholt hast, was willst du also noch hier?«

»Du hast kein Recht mir den Zugang zur Erde zu verweigern. Wenn Zahur davon erfährt …«

»Wird er aber nicht«, fällt ihr Lachesis ins Wort und mustert sie mit abschätzigem Blick. »Oder willst du mir allen Ernstes erklären, dass du es wagst, in solch einem Aufzug vor ihm zu erscheinen? Dieses Kleid stammt aus dem letzten Jahrtausend. Wen willst du damit beeindrucken?«

Beeindrucken? Ich schnaube. Die Frage müsste wohl eher lauten, wen sie sich mit diesem altertümlichen Kleid vom Leibe halten will.

Lintea kichert.

»Wie ich mich kleide, geht dich überhaupt nichts an«, schießt Aletheia zurück, doch eine leichte Röte huscht über ihre Wangen.

»Interessant«, gibt Lachesis mit unverhohlener Schadenfreude von sich. »Mir scheint, Dolos’ Anwesenheit in deinem Sonnensystem tut dir nicht gut, seine Lüge vertreibt dein wahres Wesen. Oder wie soll ich es sonst verstehen, dass sich die nackte Wahrheit nunmehr hinter einem viktorianischen Kleid versteckt und die vertrocknete alte Jungfer mimt?«

»Hältst du mich jetzt etwa hier fest, um mit mir über Mode zu diskutieren?«, fragt Aletheia schneidend zurück, doch die Röte auf ihren Wangen vertieft sich.

»Nicht doch«, sagt Lachesis vornehm und weist mit großzügiger Geste auf die Wasseroberfläche. »Du bist jederzeit frei zu gehen, wenn dich der Gesprächsgegenstand langweilt.«

»Wie großzügig von dir«, spottet Aletheia und späht um sich.

Lachesis folgt ihrem Blick. »Gib dir erst gar keine Mühe: Da kommst du nicht durch. Wir wollen die Augen des höchsten Gottes doch nicht mit deinem Anblick beleidigen und ihm den Tag verderben, oder Liebste?«

Ich schüttle den Kopf. Lachesis’ Sorge ist gegenstandslos. Was immer Aletheia auf der Erde auch beabsichtigt, zu Zahur will sie gewiss nicht. Vermutlich versänke sie lieber im Erdboden, als sich in diesem Kleid vor dem höchsten Gott zu präsentieren.

»Ob er sie auch brennen lassen würde, wenn sie sich so verstellt vor seinen Thron wagt?«, überlegt Lintea schadenfreudig und lässt für ein paar Sekunden das Bild einer lichterloh brennenden Frauengestalt auf der Leinwand erscheinen.

»Lass das«, fahre ich sie an. »Diesen Schmerz wünsche ich nicht einmal meinem ärgsten Feind.«

»Ich schon«, gibt Lintea trotzig zurück, lässt das Geschehen auf der Leinwand aber brav weiterlaufen.

»Pah, die ehrenvolle Aufgabe Zahur den Appetit zu verderben, überlasse ich gerne dir«, zischt Aletheia und blickt verächtlich auf ihr leicht bekleidetes Gegenüber. Beide Göttinnen messen sich mit kaltem Blick.

Endlich bricht Lachesis das Schweigen. »Was willst du hier?«

»Ich wollte zu euch.«

»Nun denn.« Lachesis kreuzt die Arme vor der Brust. »Hier bin ich. Sag, was du zu sagen hast und dann verschwinde wieder.«

 Aletheia kneift die Augen zusammen.

»Nun, hat es dir die Sprache verschlagen?«, höhnt Lachesis mit unverhohlenem Vergnügen. »Oder hast du vergessen, was du fragen wolltest?«

»Wieso habt ihr das zugelassen?«, faucht Aletheia, die Hände zu Fäusten geballt.

»Was zugelassen?«, fragt Lachesis zuckersüß zurück. »Du musst dich schon ein bisschen klarer ausdrücken.«

Drohend hebt Aletheia die Hand, als wollte sie jeden Moment einen ihrer Blitze auf ihr Gegenüber schleudern. Ihre Augen funkeln. »Du weißt genau, wovon ich rede.«

»Tut mir leid«, entgegnet Lachesis gelangweilt. »Du wirst dich schon etwas genauer artikulieren müssen, um deine sonderbare Erregung erklären zu können.«

Einen atemlosen Moment lang passiert nichts, dann krampft Aletheia ihre Hände hinter dem Rücken zusammen. »Wie konntet ihr zulassen, dass sich Tiepa durch Kescher-Kitin bindet?«, fragt sie mit mühsam beherrschter Stimme.

»Zulassen?«, wiederhole ich. Wie soll ich diese Frage jetzt verstehen? Die Moiren spinnen zwar das Schicksal der Bewohner von Samiela, aber das bringt sie noch lange nicht in Verbindung mit dem Rettungsplan. Existieren da etwa irgendwelche geheimen Absprachen zwischen Aletheia und ihren Schicksalsgöttinnen? Fragend hebe ich die Augenbraue, doch Lintea kommentiert das Geschehen nicht weiter. Offensichtlich verfügt sie auch nicht über mehr diesbezügliche Informationen als ich.

»Zulassen?« Lachesis schnaubt. »Dies war von Anfang an die einzige Möglichkeit, um sicherzustellen, dass sie zum Schluss auch den richtigen Partner wählt.« Sie bedenkt Aletheia mit einem verächtlichen Blick. »Leider ähnelt dir dein Tränenkind mehr, als ihm gut tut: Es erfreut sich zu vieler Verehrer und weiß nicht, welcher gut für es ist.«

Oho, bemerke ich da etwa eine Rivalität zwischen den beiden Göttinnen? Lachesis’ Versuche, Zahur für sich zu gewinnen, sind mir schon vor Jahrtausenden aufgefallen, obwohl der Rest der Götterwelt dessen Existenz bis heute stur zu leugnen versucht. Ich grinse. Das scheint ja richtiggehend interessant zu werden. Was gibt es Erheiterndes als zwei Göttinnen, die sich um denselben Mann streiten?

»Bis gerade eben war mir nicht bewusst, dass du die Konkurrenz Zahurs als erheiternd empfindest«, wirft die Leinwand trocken ein.

»Sei kein Spaßverderber, Lintea«, sage ich und grinse breit. »Sieh nur, wie Aletheia nach Worten sucht. – Hey, kleine Göttin der Wahrheit«, feixe ich zur Leinwand hin. »Dir wird es doch wohl nicht die Sprache verschlagen haben, oder?« Gott, sie ist einfach so unwahrscheinlich sexy, wenn sie sich windet.

Noch immer starren sich die beiden Göttinnen an. »Eine vorzeitige Bindung war nicht nötig«, stößt Aletheia endlich hervor. »Tiepa hat nie Interesse an irgendjemanden gezeigt, bevor Elia auftauchte.«

»So? Hat sie nicht? Und was ist mit ihrer Schwärmerei für Sophutantus?«

»Der ist bereits gebunden und kann ihr deshalb nicht gefährlich werden.«

»Sophutantus selbst nicht, aber was ist mit …?«

»… Aslagon«, haucht Aletheia und wird blass.

»Wie gut, dass du auch mal darauf kommst«, bemerkt Lachesis trocken.

Aslagon? Ich runzle die Stirn. Der Feuerlandprinz lebt in Naarija und gehört mir! Die Wahrscheinlichkeit, dass er jemals mit Tiepa zusammentreffen wird, beläuft sich gegen null. Wieso macht sich Aletheia dann dahingehend Sorgen um Tiepas Gefühlsleben?

»Vielleicht plant sie ja, Tiepa ebenfalls nach Feuerland zu schicken?«, mutmaßt Lintea wild drauf los und lässt ein paar leuchtende Kugeln durchs Bild hüpfen.

»Wohl kaum«, knurre ich. »Tiepa würde vor Angst einfach tot umfallen.«

»Ach was«, quietscht Lintea. »Beim Anblick eines solchen Mannes stirbt keine junge Frau. Und wer trüge nicht gerne die Krone Feuerlands? Sie wird dem schönen Prinzen in dem Augenblick verfallen, in dem sie ihn erblickt.«

Die Frauen und ihre romantischen Ideen, ich verdrehe die Augen. »Wollte Aslagon sie mit in sein Land nehmen, würde sie vor Angst sterben, noch bevor sie die königliche Oase erreichen, Lintea. In Tiepas Vorstellung gleicht Naarija der Hölle, nur noch viel heißer und grausamer. Glaub mir, wenn Aletheia den Tod ihres Tränenkindes riskieren wollte, würde sie einfach die Hände in den Schoß legen und warten, bis Tiepa durch das Kescher-Kitin dahingerafft wird. Das wäre jedenfalls humaner, als sie nach Feuerland zu schicken.«

»Aber sie plant eine Begegnung der beiden«, beharrt Lintea trotzig. »Wenn sie Tiepa nicht nach Feuerland bringen kann, dann will sie halt umgekehrt, den Feuerlandprinzen nach Maya schicken. Auf jeden Fall würde sie sich keine Sorgen machen, wenn nicht die reelle Gefahr bestünde, dass sich Tiepa in den Prinzen verliebt.«

»Nun, in diesem Fall hat sie ihre Rechnung jedenfalls ohne mich gemacht.« Zwar hat Aletheia bisher nicht um Aslagons Auslieferung gebeten, aber sollte sie tatsächlich etwas in diese Richtung beabsichtigen muss ihr schon klar sein, dass ich meinen Untertanen nicht ohne deftigen Gegenpreis ziehen lasse. Ich weiß auch schon, was mir dabei vorschwebt. Ein ungeduldiger Wink meiner Hand und Lintea lässt das Geschehen auf der Leinwand weiterlaufen.

»Wir mussten auf Nummer sicher gehen«, erklärt Lachesis hoheitsvoll.

Aletheia ballt die Fäuste. »Aber was nützt mir Tiepas Bindung an den Richtigen, wenn sie deshalb stirbt?«

»Nun, dafür kannst du dich bei deinem Daimonenfreund bedanken«, ätzt Lachesis. »Hätte er den Länderübertritt nicht so verzögert, so dass Elia in die Zeitverzerrung hineingeriet, wäre unser Plan aufgegangen.«

Aletheia schüttelt den Kopf. »Das war nicht Dolos’ Schuld. Mit seiner Kugel hat er Elia lediglich daran gehindert, ein zweites Mal einen Tambur erscheinen zu lassen.«

»Ich spreche nicht von seiner Kugel«, gibt Lachesis ungeduldig zurück. »Oder glaubst du allen Ernstes, Dolos kleidete seine Botschaften in Kugeln, um sie in den Körpern der Menschen zu versenken? Nur primitive Götter gehen auf diese Weise vor. Dolos stehen da sehr viel elegantere Mittel der Beeinflussung zur Verfügung.«

Aletheia kneift die Augen zusammen. »Von welchen Mitteln sprichst du?«

»Von Steuerung, meine Liebe. Dolos manipuliert die Akteure unseres Planes und sorgt dafür, dass sie sich völlig atypisch verhalten.«

»Unmöglich!«, ruft Aletheia. »Er hat Kiephos nie verlassen.«

Lachesis schnaubt. »Glaubst du wirklich, er fände keine Mittel und Wege, deine lächerlichen Kontrollmechanismen zu umgehen?«

»Verdammt«, ruft die Leinwand und das Bild verblasst abrupt. »Woher wissen die Moiren davon? Ich dachte, du hättest deine Beeinflussung diesmal so subtil gehalten, dass sie nicht nachweisbar wäre?«

»Habe ich ja auch«, entgegne ich ungeduldig.

»Was soll Lachesis’ Gerede dann?«, keucht Lintea.

»Was weiß ich? Lass dich doch nicht gleich dermaßen verunsichern, Lintea. Wer sagt dir denn, dass die Moiren tatsächlich von meinen Gesprächen mit Tiepa wissen? Möglicherweise blufft Lachesis nur. Also halte nicht ständig an, ich will kein einziges Wort verpassen.«

»Hältst du mich etwa für einen Stümper?«, empört sich Lintea. »Du siehst die Unterhaltung in Echtzeit, ich nutze lediglich das Zeitfenster zwischen Philian und der Erde um uns die Gelegenheit zu verschaffen, nebenher ein wenig zu plaudern.«

»Schön, ich will aber nicht plaudern. Spiel weiter!«

Aletheia ballt die Fäuste. »Was hat Dolos getan?«

»Das, was er immer tut. Vielleicht solltest du mal in Tiepas Kopf nachschauen.«

»Eine Vision?«, haucht Aletheia und schwankt.

»Nein.« Lachesis bedenkt ihr Gegenüber mit einem verächtlichen Blick. »Ansonsten hätten wir diese in unsere Berechnungen mit einbeziehen können. Diesmal setzt er seine Täuschungskraft so subtil ein, dass wir sie nicht aufspüren können. Aber es genügt, um Tiepa glauben zu lassen, er sei dein Bote, so dass sie sich seinen Befehlen beugt.«

Schlagartig verschwinden die Farben auf der Leinwand und tropfen in bunten Klecksen auf den Boden. »Lachesis plappert deine ganzen Geheimnisse aus«, jammert Lintea. »Jetzt wird alles rauskommen.«

»Beruhige dich, Lintea, diese Worte ändern gar nichts. Aletheia wird nach den üblichen strukturellen Veränderungen des Gehirns suchen und nichts finden. Solange sie nicht auf die Idee kommt, Tiepas Träume zu durchsuchen, besteht überhaupt keine Gefahr. Und jetzt unterbrich nicht ständig.«

Verloren starrt Aletheia vor sich auf den Boden. »Dann wart doch ihr es, die Elia durch die Pforte gebracht habt? Ich dachte, das sei Dolos gewesen.«

Lachesis Blick wird wachsam. »Ich habe nichts Gegenteiliges behauptet.«

Aletheia schüttelt den Kopf. »Wieso sollte er den Plan erst boykottieren, um ihn zum Schluss dann doch noch geschehen zu lassen? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn.«

»Warum nicht?«, fragt Lachesis zurück. »Irgendwann muss er ja begreifen, dass er nur verlieren kann, falls er den Rettungsplan scheitern lässt. Schließlich hat er nichts davon, wenn der Planet in die Luft geht. Er will Naarija nicht wieder verlieren.«

»Er wird Naarija aber verlieren, wenn ich den Rettungsplan bis zum Ende durchführen kann«, wirft Aletheia müde ein. »So lautet unsere Wette.«

»Dumm genug von dir, dich mit ihm auf eine solch unsinnige Wette einzulassen«, gibt Lachesis scharf zurück.

»Die Wette lässt sich nicht ungeschehen machen.«

Lachesis zuckt mit den Schultern. »Dein Problem.«

»Nein, euer Problem«, faucht Aletheia. »Wenn ihr euch daran stört, dass Dolos das Geschehen manipuliert, dann müsst ihr eben dafür sorgen, dass er verschwindet.«

Lachesis schüttelt den Kopf. »Der Daimon stört uns nicht.«

»Gerade eben hast du noch …«, fährt Aletheia auf.

»Gar nichts habe ich«, bellt Lachesis. »Wenn dich die Anwesenheit des Daimons stört, schmeiß ihn gefälligst selbst aus deinem Planetensystem.«

»Das kann ich nicht, ich habe ihm für die Dauer der Wette Wohnrecht in Kiephos einräumen müssen.«

»Tatsächlich?« Lachesis Mund verzieht sich zu einem höhnischen Grinsen. »Bist du sicher, dass dir wirklich nichts daran liegt, mit ihm unter einem Dach wohnen zu dürfen? Ich meine, er ist schließlich äußerst attraktiv und da sind schon ganz andere Göttinnen schwach geworden.«

Aletheia ballt die Fäuste hinter dem Rücken. »Was ist mit euch los, Schicksalsschwestern?«, stichelt sie. »Sonst seid ihr auch nicht zögerlich, wenn es darum geht, Theikun zu beseitigen, die euere Pläne behindern. Ihr macht ja nicht mal vor den Göttern Halt.«

Für einen winzigen Moment weiten sich Lachesis’ Pupillen, dann zeigt ihre Miene den gleichen, herablassenden Ausdruck wie zuvor.  »Dolos gefährdet den Rettungsplan nicht. Ich sehe keinen Handlungsbedarf.«

»Aber ich«, gibt Aletheia fest zurück. »Schneidet seinen Lebensfaden ab.«

»Vergiss es.«

»Wieso?«, ruft Aletheia ärgerlich und lässt ihren Blick einen Moment an der unsichtbaren Kuppel entlangwandern. »Wieso nehmt ihr ihn immer in Schutz?«

»Wir nehmen ihn nicht in Schutz, aber es gibt Gesetze, denen selbst wir uns beugen müssen.  Wir können seinen Lebensfaden nicht abschneiden.«

»Wie wahr, Lachesis, wie wahr«, rufe ich und lächle grimmig. »Warum sagst du ihr nicht einfach, dass ihr keine Macht mehr über mich habt? Aber das verschweigst du ihr natürlich lieber, genauso wie die peinliche Tatsache, dass ich euch mein Lebenstüchlein gestohlen habe. Feige Göttin, die du bist!«

»Soll ich ihr deine Worte übermitteln?«, feixt Lintea.

»Untersteh dich! Eine Schicksalsgöttin reizt man nicht Mal eben zum Spaß.«

»Schade«, mault die Leinwand. »Ich hätte nur zu gern ihr Gesicht gesehen, wenn sie merkt, dass wir ihre kleine, private Unterhaltung belauschen, die sie mit ihrem Schutzschild so mühsam vor Zahur zu verbergen sucht.«

»Wieso könnt ihr seinen Lebensfaden nicht abschneiden?«, fragt Aletheia misstrauisch.

»Daimonen, unsterblich bis zum vorherbestimmten Todestag, du erinnerst dich?«, ätzt Lachesis mit gelangweilter Stimme.

Aletheia sieht aus, als hätte sie gerade eine äußerst bittere Medizin schlucken müssen. Sie ballt die Fäuste. »Dann webt ihm eben einen Auftrag ins Lebenstüchlein, der ihn aus Philian abzieht.«

»Oh nein, der Flöhe in deinem Fell musst du dich schon selbst entledigen«, gibt Lachesis affektiert zurück. »Schließlich können wir nicht alle Arbeiten für dich tun.«

 »Alle Arbeiten, pah«, stößt Aletheia bitter hervor. »Wenn ihr den Daimon in Kiephos festhaltet, kriege ich ihn niemals los.«

»Wir haben Dolos weder nach Philian geschickt, noch halten wir ihn dort fest«, gibt Lachesis hoheitsvoll zurück. »Wir interessieren uns nicht für ihn.«

»Lüge«, kreischt Aletheia. »Ihr könnt diesen Daimon selbst nicht unter Kontrolle halten, deshalb lasst ihr ihn lieber meine Planeten zerstören, um die Erde zu schützen. In Wahrheit fürchtet ihr euch vor …« Ihre Stimme erstirbt. Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie auf die Flammenkugel, die nur wenige Zentimeter vor Lachesis’ Handinnenfläche schwebt.

Oh weh, die Kugel des Schicksals, jetzt wird es unschön. Wen sie trifft, der ist für den Rest seines Lebens verflucht, zieht Unglück und Verderben hinter sich her. Der Tod muss ihm als Erlösung erscheinen.

»Unschön?« Lintea lässt einen grinsenden Mund auf der Leinwand erscheinen. »Ich bitte dich Dolos, das wird der Spaß des Jahrhunderts. Meinetwegen soll Lachesis dieses Unglücksding ruhig schleudern. Das geschieht ihr doch nur recht.«

Mir ist nicht ganz klar, wen sie mit »ihr« meint. Lachesis, die sich in einem Akt von Größenwahnsinn dazu hinreißen lässt, eine Göttin anzugreifen, die Zahurs Schöpferkraft in sich trägt?

Oder Aletheia, die unbekümmert genug ist, den Zorn dieser mächtigen Schicksalsgöttin zu riskieren. Nicht, dass ihr selbst viel passieren könnte, sie ist durch den Spiegel der Wahrheit geschützt, ein Fluch würde von ihr abprallen und Lachesis selbst treffen. Doch Rache ist süß und Aletheias Planeten vermag der Spiegel nicht zu schützen. Schon gleich gar nicht, solange das Schicksalspinnen für die Bewohner Philians in den Händen der Moiren liegt.

»Sie ist stur genug, die Kugel dennoch zu riskieren«, stößt Lintea verächtlich hervor. »Was hat sie denn schon zu verlieren? Ihr Planetensystem wird sowieso sterben, weil ihr Tiepas Tod jede Chance nimmt, auf die Bedrohung durch diesen Sklaven von Yjos, zu reagieren.«

»Das weiß sie doch gar nicht«, knurre ich. »Bis jetzt hat sie mir ja noch keine Gelegenheit geboten, sie über Evanas’ geplanten Frevel aufzuklären.«

»Sie wird trotzdem nicht nachgeben«, beharrt Lintea. »Einfach aus Prinzip nicht.«

»Oh doch, das wird sie«, widerspreche ich bestimmt. »Samiela ist ihr Ein und Alles. Sie würde sich selbst verstümmeln, wenn dies ihren Planeten retten könnte.«

»Um was wetten wir?«, ruft Lintea herausfordernd.

Ich verdrehe die Augen. Als ob sie Aletheia besser einschätzen könnte als ich! »Ich wette nicht mit dir. Wenn du allerdings nicht ständig anhalten würdest, könnten wir ja vielleicht erfahren, was sie tatsächlich tun wird.«

Die Leinwand gibt ein unwilliges Knurren von sich und das Geschehen auf ihrem Antlitz läuft weiter.

Unbeirrt hält Lachesis die Hand auf Aletheias Herz gerichtet, ein herablassendes Lächeln auf den Lippen.

Aletheia rührt sich nicht, nur ihre Haare wehen im Wind. Endlich zucken ihre Augenlider, widerstrebend wendet sie den Blick ab. Ganz die Göttin, der soeben bewusst wurde, welch fatales Risiko sie eingegangen ist und die nun zurückrudert.

Mir fällt die Kinnlade nach unten. Seit wann kann sich Aletheia derart überzeugend verstellen?

»Wieso verstellen?«, murrt Lintea. »Sie zeigt eben ausnahmsweise mal mehr Verstand als im Normalfall.«

»Oh nein, liebe Lintea.« Ich lächle süffisant. Muss schon schwer für meine Leinwand sein, zuzugeben, dass sie sich einmal geirrt hat. »Unterwerfung hat Prometheus wohlweislich aus dem Kanon ihrer möglichen Verhaltensweisen ausgeschlossen.« Ich verziehe die Mundwinkel. »Es hätte ja sein können, dass sie sich durch meine Überlegenheit andernfalls gemüßigt gefühlt hätte, meinen Einflüsterungen Folge zu leisten und er hat sie doch geschaffen, um mich zu zerstören!«

»Sie kann sich nicht unterwerfen?«, fragt Lintea verunsichert und die Farben auf der Leinwand verlaufen plötzlich ineinander.

»Nein, nicht einmal vor Zahur kann sie sich beugen, obwohl es bei diesem durchaus angebracht wäre. Wenn du mich fragst, gleicht es einem Wunder, dass er sie noch nicht zu Sternenstaub verarbeitet hat. Ich muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass sie auch ihm die gebotene Ehrerbietung bei jeder einzelnen Begegnung der beiden schuldig geblieben ist.«

»Wir könnten ja mal ein Treffen zwischen den beiden arrangieren, dann tut uns Zahur vielleicht doch noch den Gefallen und vernichtet sie«, wirft Lintea hoffnungsfroh ein.

Ich werfe ihr einen finsteren Blick zu. »Kann es sein, dass auch du soeben die nötige Ehrerbietung mir gegenüber vermissen lässt?«

»Tschuldigung Chef«, murmelt Lintea und lässt das Geschehen auf der Leinwand eilig weiterlaufen, stoppt es jedoch gleich wieder. »Aber sie ist doch die Göttin der Wahrheit, wie kann es da sein, dass sie sich verstellt?«

»Vermutlich hat sie von mir gelernt.« Ich grinse breit. »Einen überzeugenderen Vertreter der Täuschung wirst du ja wohl kaum finden, oder?« Wen stört es da, dass Falschheit einer Göttin der Wahrheit schlecht zu Gesicht steht? Mir jedenfalls erleichtert diese Verdrehung ihres Charakters das Erreichen meiner Ziele enorm.

»Kein Grund, deshalb zu einem Honigkuchenpferd zu mutieren«, gibt Lintea missmutig von sich.

Da grinse ich noch mehr.

Lachesis lächelt grimmig und lässt die Hand sinken. Die Kugel des Schicksals löst sich in Nichts auf. »Das nächste Mal überlegst du dir vorher, ob du über Dinge reden willst, von denen du nichts verstehst.«

Aletheia blickt beharrlich nach unten. Eine einsame Träne löst sich aus ihrem Augenwinkel, rollt über ihre Wange und weckt augenblicklich ein begehrliches Funkeln in Lachesis’ Augen.

Mit stechendem Blick folgt sie dem Lauf des Tropfens, bis er ins Wasser fällt und sich dort in eine weiße Seerose verwandelt. »Kein Grund hier alles vollzuwuchern«, presst sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. »Dolos wird deinen Rettungsplan nicht weiter boykottieren.«

Aletheia schnaubt nur.

Lachesis Augen verengen sich. »Dolos liebt die Zerstörung, aber niemals die Zerstörung seines Eigentums, merk dir das. Er wird alles tun, um Naarija zu retten.«

»Deshalb hat er ja auch dafür gesorgt, dass Siman seine Mission verfehlt, nicht wahr?«, ätzt Aletheia.

»Suhle dich nicht in Selbstmitleid«, ätzt Lachesis genervt. »Du hast ihn doch selbst dazu gezwungen! Anders konnte er die Wette beziehungsweise die Planetenhälfte schließlich nicht gewinnen.«

»Eben«, stößt Aletheia bitter hervor. »Deswegen wird er die Zerstörung meines Planeten auch weiter verfolgen, die Wette ist immerhin noch nicht beendet.«

»Wenn ich sage, dass Dolos alles tun wird, um deinen Planeten zu retten, dann meine ich das auch«, blafft Lachesis ungehalten. »Wenn er Dinge tut, die deinem Plan nicht förderlich sind, ist das allein deine Schuld. Du weihst ihn ja auch nicht in deine Pläne ein.«

»Du willst, dass ich Dolos in meinen Rettungsplan einweihe? Da könnte ich ihm doch gleich mein ganzes Planetensystem überlassen!«, ruft Aletheia und stemmt die Hände in die Hüften. »Wenn ich ihm verrate, was wir beabsichtigen, wird er doch erst recht alles tun, um unser Vorhaben zu verhindern.«

Lachesis kneift die Augen zusammen. »Dein Vertrauen in unsere Fähigkeiten kann ja nicht sonderlich groß sein, wenn du mir ständig widersprichst. Erstaunlich, dass du trotzdem alle Furz lang zu uns kommst und uns um Hilfe ersuchst.«

Aletheia starrt auf ihre Finger und eine Weile herrscht Schweigen zwischen den Göttinnen. »Tiepa darf nicht sterben«, flüstert Aletheia endlich mit zitternder Stimme. »Bitte, ihr dürft das nicht zulassen.«

»Nun, daran ließe sich durchaus noch etwas ändern.« Lachesis bedenkt sie mit einem lauernden Blick. »Wie viel ist dir die Rettung deines Tränenkindes denn wert?«

Ein nahezu unhörbares Seufzen entringt sich Aletheias Brust. »Was wollt Ihr haben?«

»Du weißt, was wir begehren«, entgegnet Lachesis und ihr Blick huscht zu der Stelle, wo noch vor kurzem Aletheias Träne gerollt ist. »Hol es uns!«

Aletheia schließt die Augen.

»Angst davor, dass Zahur dich diesmal entdecken könnte?«, ätzt Lachesis.

»Nein.« Ohne aufzuschauen, streckt Aletheia die Hand aus. »Gib mir das Fläschchen.«

Da erscheint ein gläsernes Flakon in Lachesis’ Hand. Mit einem unergründlichen Lächeln reicht sie es an Aletheia weiter.

Hey, wie leichtsinnig kann eine Göttin im Teenageralter denn sein? Ich springe auf und starre böse zur Leinwand. Lachesis gibt sich noch nicht einmal den Anschein, als sei sie Aletheia wohlgesonnen und dennoch lässt sich Aletheia auf einen Handel mit dieser hinterhältigen Schicksalsgöttin ein. So viel Leichtsinn tut einfach weh. Ich meine, da könnte sie die Zerstörung ihres Sonnensystems doch auch gleich selbst vornehmen. Das würde ihr wenigstens die bange Wartezeit verkürzen.

»Ts, ts«, tadelt Lintea. »Seit wann neigst du zu vorschnellen Prognosen? Offensichtlich besitzt Aletheia irgendetwas, das die Moiren unbedingt haben wollen. Da ist es doch durchaus möglich, dass sie nach Aletheias Regeln spielen, um genau das Ersehnte zu bekommen.«

Ich schnaube nur verächtlich. Lintea verzichtet auf einen Streit über diesen Punkt und lässt das Geschehen weiterlaufen.

»Also?« Aletheia holt tief Luft. »Welche Möglichkeit gibt es, Tiepa noch zu retten? Die Bindung des Kescher-Kitins lässt sich nicht mehr löschen.«

»Das nicht, aber wir könnten sie durch eine neue Bindung ersetzen.«

»Eine neue Bindung?«

»Ja. Wir binden Tiepa an einen Jungen, der ihr durch die restliche Zeit bis zu ihrem Durchtritt ins Erwachsenendasein hindurch hilft. Da Tiepa ein Tränenkind ist, fallen danach sowieso alle Bindungen fort und sie ist frei, sich wieder den richtigen Vater für ihr Kind zu suchen.«

Oh! Ich ziehe die Augenbrauen in die Höhe, doch diese verwegene Idee liegt durchaus im Bereich des Möglichen. Da Elia nicht weiter als bis zur Entjungferung gekommen ist, bevor er vom Bann getroffen wurde, müsste eine vollständig vollzogene Vereinigung Tiepa noch stärker binden können. Doch gibt es auf ihrem Planeten jemanden, der dazu in der Lage ist?

Mayas vermögen sich Tiepa aufgrund der Bindungsgesetze nicht mehr zu nähern, ganz abgesehen davon, dass auch dieser Mann vom Bann getroffen darnieder sinken würde, sobald er sie berühren wollte. Denken die Moiren also an einen Naarij?

Wohl kaum. Naarija gehört mir und auch die Moiren können sich nicht einfach meiner Untertanen bedienen. Abgesehen davon befindet sich Tiepa bereits zu nahe an ihrem Durchbruch. Allein der Kontakt zu Elia und dem bisschen Naarijblut, das dieser sein Eigen nennt, hat ausgereicht, um ihre Reifung auf unnatürliche Weise zu beschleunigen. Da würde der intime Kontakt mit einem Naarij sofort den Durchtritt auslösen, sie ins Erwachsenendasein hineinkatapultieren und augenblicklich zu einer Schwangerschaft führen. Nein, auf ihrem eigenen Planeten gibt es niemand, der für diese Retterrolle in Frage käme.

Wie sieht es mit den Nachbarplaneten aus? Die Bewohner Solums vermögen keine Bindung auszulösen und scheiden deshalb von vornherein aus. Bleiben nur noch die Äeras. Doch die sind zu schön. Geblendet von deren Perfektion würde Tiepa auch nach ihrem Durchtritt nicht mehr von diesem Mann lassen können, selbst wenn sie spürte, dass der Äeras keinen geeigneten Vater für ihr Kind darstellt.

Verflucht, die Moiren bluffen nur, um Aletheia zu ködern. In ganz Philian gibt es kein männliches Wesen, das die verhängnisvolle Bindung wieder aufheben könnte.

Aletheia scheint zu demselben Schluss gekommen zu sein, denn sie schüttelt unwillig den Kopf. Dann aber wird sie plötzlich blass. »Du willst einen Menschen nach Philian bringen?«

»Ich will gar nichts«, schnaubt Lachesis. »Das ist allein deine Entscheidung.«

Einen Menschen? Ich runzle die Stirn. Tatsächlich wäre ein Mensch die ideale Lösung. Da die Bindungsgesetze auf ihn nicht zutreffen, kann er die Vereinigung mit Tiepa bis zum Ende durchziehen, ohne vorher vom Bann getroffen zu werden. Zwar geht Tiepas Tropfen dann verloren, aber den kann Aletheia ja wieder auffüllen. Gleichzeitig besteht keine Gefahr, dass sich Tiepa nach ihrem Durchtritt nicht mehr von ihm lösen könnte. Aufgrund seiner inkompatiblen Erbanlagen käme er als Vater des Kindes definitiv nicht in Frage.

»Ein Mensch?« Aletheia sieht aus, als wollte sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. »Menschen können in Maya nicht überleben.«

»Wieso nicht?«, fragt Lachesis provokant zurück. »Eine kleine Operation behebt das Problem mit der mangelnden Zeitstrom-Kompatibilität.«

»Nein«, ruft Aletheia und reißt die Hände in die Höhe. »Nein, das dürfen wir nicht. Einen solchen Frevel würde Zahur niemals verzeihen. Wir können uns den Menschen allenfalls für ein paar Wochen leihen und müssen ihn dann wieder zurückgeben.«

»Eine zerbrochene Tasse gibt man nicht zurück«, entgegnet Lachesis kalt. »Es sei denn, man will den Eigentümer verärgern.«

Aletheia schlägt die Hände vors Gesicht.

Lachesis Gesichtszüge werden hart. »Dies ist einer der Gründe, warum du nicht als Schicksalsgöttin taugst, Aletheia. Du bist viel zu weich und lässt dich von deinen Gefühlen leiten, anstatt den Mut aufzubringen, das Notwendige zu tun.«

»Trotzdem, dein Plan geht nicht auf«, spricht Aletheia durch ihre Finger hindurch. »Egal wie attraktiv der Menschenmann auch sein mag, Tiepa würde ihn nicht einmal ansehen. Sie liebt Elia.«

»Deshalb können wir auch keinen beliebigen Menschen nehmen«, pflichtet Lachesis ihr bei. »Es gibt nur einen, der ihr Herz immer noch erreichen kann.«

Jetzt lässt Aletheia ihre Hände wieder sinken. »Und wer soll das Bitteschön sein?«

»Andreas Harding.«

Aletheia zuckt zusammen, als hätte sie eine Ohrfeige bekommen. Fassungslos starrt sie ihrem Gegenüber ins Gesicht.

»Was ist?«, fragt Lachesis mit einem grausamen Lächeln. »Traust du dich nicht?«

»Aber …« Aletheias Stimme ist nun kaum mehr als ein Hauch: »Aber er ist ein Tifferrosch!«

»Na und? Willst du Tiepa nun retten oder nicht?«

Wie zu einer Salzsäule erstarrt verharrt Aletheia auf den Wellen.

»Ein Tifferrosch?«, rufe ich und runzle die Stirn. »Ist Andi tatsächlich ein Glückskind?«

Das Bild auf der Leinwand bleibt stehen. »Ja, er wurde in einer vollständig erhaltenen Fruchtblase geboren. Die Hebamme bekreuzigte sich, als …«

»Verdammt!« Ich springe auf. »Welcher Gott hat ihn mit der Glückshaut umhüllt?«

»Wodan.«

»Und die griechischen Götter …?«

»… haben versucht, ihm Andi streitig zu machen, ohne jeden Erfolg jedoch. Seit dem verübten sie mehrere Mordanschläge auf den Jungen, doch Wodans Glückshaut hielt allen Angriffen stand und er überlebte.«

»Wieso?«, frage ich hart. »Zahur muss doch über dem Jungen wachen.«

»Das tut er auch. Bisher hat er jeden Versuch Wodans vereitelt, sich dem Jungen zu offenbaren.«

»Und Andi ist wirklich zu selbstloser Liebe fähig?«, erkundige ich mich skeptisch.

»Oh, ja«, bestätigt die Leinwand. »Sogar in noch größerem Ausmaß als die anderen zurzeit lebenden Tifferrosch. Seine Liebe würde die Macht der germanischen Götter enorm stärken. Deshalb sind die griechischen Götter auch so hinter Andi her. Das Letzte, was sie jetzt brauchen können, ist ein Aufstieg der vergessenen germanischen Götter.«

Verdammte Scheiße! Und ausgerechnet diesen Zankapfel der Götter will sich Aletheia ins Boot holen? Unruhig laufe ich im Zimmer auf und ab. Auch wenn Aletheia noch zögert, zum Schluss wird sie sich auf den Deal einlassen, daran besteht für mich überhaupt kein Zweifel. Sie will Tiepas Leben retten, um jeden Preis. Doch diesmal geht sie eindeutig zu weit. »Ich kann nicht zulassen, dass sie Andi entführt«, stoße ich hervor. »Es wird ja wohl auf Zahurs verdammt weitem Erdboden einen anderen Jungen geben, der diese Selbstmordmission übernehmen kann, oder?«

»Du meinst einen anderen Tifferrosch?«, hakt die Leinwand vorsichtig nach.

»Nein, irgendein Kerl. Meinetwegen kann er auch dumm und hässlich sein wie die Nacht, Aletheia muss mich nur bitten und ich bringe Tiepa dazu, dass sie sich mit ihm einlässt. Das ist schließlich ein Kinderspiel für mich.«

Lintea lacht trocken. »Aletheia würde dir niemals erlauben, in Tiepas Gehirn herumzupfuschen. Deine Visionen sind ein Mittel der Zerstörung! Wie wolltest du die Liebe auch wieder töten, wenn du sie erst in Tiepas Gehirn gepflanzt hast? Das Mädchen würde nicht mehr von deinem nutzlosen Menschenjungen lassen können, auch nachdem sie den Durchtritt ins Erwachsenenalter geschafft hat und eigentlich frei wäre, den besten Vater für ihr Kind der Hoffnung zu wählen.«

Ich seufze. Ganz von der Hand zu weisen ist diese Gefahr nicht. Nicht einmal ich selbst vermag meine Visionen wieder zu zerstören, wenn ich sie erst einmal in den Kopf einer Person gelegt habe. Allenfalls könnte ich das Bild durch eine weitere Vision überlagern, dies jedoch mit ungewissem Ausgang, denn die erste Vision würde dadurch ja nicht ungültig. Vermutlich würde es den Betreffenden früher oder später umbringen, wenn er gleichzeitig zwei gegensätzlichen Visionen nachjagte. »Trotzdem! Aletheia bringt sich in Teufels Küche, wenn sie den Jungen hierher holt. Er ist ein Tifferrosch!«

»Na und? Glaubst du wirklich, dass es für Zahur einen Unterschied macht, ob Andi nun ein Glückskind ist, oder nicht? Er benötigt die Liebe der Menschen nicht, um seine Macht zu steigern, ihm steht doch bereits unendliche Macht zur Verfügung.«

»Eben«, gebe ich genervt zurück. »Er benötigt niemanden. Dennoch hat er die Menschen unter seinen Schutz gestellt und wird die Opferung eines jeden gnadenlos rächen. Wir können uns nicht an seinen Menschen vergreifen.«

»Ach, ich bitte dich, Dolos! Zahur besitzt Milliarden Menschen, warum sollte er wegen einem weniger ein ganzes Sonnensystem auslöschen?«

Ich schnaube nur. »Zahur schafft und zerstört ganze Welten mit einem Atemzug. Er achtet nicht das Leben, das er selbst geschaffen hat, wie sollte er ausgerechnet Philian verschonen, an dessen Entstehung er kaum beteiligt war? Oder glaubst du allen Ernstes, er würde tatenlos zusehen, wie sie Andi entführen und ihm das Herz brechen?«

»Vermutlich nicht.« Die Leinwand seufzt. »Aber warum gehst du so selbstredend davon aus, dass Andi bei dieser Mission draufgeht? Bedenke, dass er ein großes Herz besitzt.«

»Eben deswegen. Wenn Tiepa ihn nach ihrem Durchtritt zurückweist und sich Elia zum Mann nimmt, wird er an seinem Kummer darüber zerbrechen. Als Tifferrosch liebt er viel zu intensiv, um dies verkraften zu können. Er wird das Wertvollste verlieren, das er je besessen hat: seine Fähigkeit zu lieben. Zurück bleibt lediglich eine zerbrochene Tasse, wie Lachesis es so treffend bezeichnet hat. Der Tod wird eine Gnade für ihn sein.«

»Zugegeben, keine schöne Vorstellung. Aber kann Zahur deshalb befürworten, dass Samiela stirbt? Immerhin ist er der Vater dieses wundervollen Planeten.«

Ich schnaube. »Bisher hat er sich auch nie für seinen Planeten interessiert. Samiela bedeutet ihm nichts, ansonsten hätte er verhindert, dass Naarija unter meine Herrschaft fiel. Nein, sein Zorn wird sich gerade über Samiela ergießen, weil er Aletheia damit am tiefsten treffen kann.«

Plötzlich klingt Linteas Stimme ganz kleinlaut. »Warum geht Aletheia dann überhaupt dieses Risiko ein?«

Ich lächle schief. »Sie setzt ihre Hoffnung auf das, was einmal zwischen ihr und Zahur gewesen ist. Aber sie täuscht sich, Zahur lässt sich nicht hintergehen. Für ihn gibt es nur eines, das zählt: seine Erde und seine Menschen. Wer sich an diesen vergreift, zieht sich seinen unbändigen Zorn zu.«

»Ach ja?«, ruft Lintea skeptisch. »Du hast unzählige Menschen umgebracht und Zahur ist dir dabei nie in die Quere gekommen.«

»Eine Tatsache, die ich allein dem Umstand zu verdanken habe, dass ich ein Geschöpf der Menschen bin und folglich auch nur die Menschen mich wieder verschwinden lassen können. Entstammte ich Zahurs Schöpfung, wäre ich längst tot. Davon abgesehen bin ich unsterblich bis zum Tag meiner Bestimmung, Zahur besitzt keine Macht über …«

»Das war einmal«, fällt mir Lintea ins Wort. »Mittlerweile bist du sehr leicht zu töten und es gibt keinen Grund für Zahur, es nicht zu tun.«

»Doch, den gibt es«, widerspreche ich. »Er kennt mein Geheimnis nicht.«

»Hm.« Einige Sekunden ist es still, dann lässt Lintea das Geschehen auf der Leinwand weiterlaufen.

»Ich habe nicht ewig Zeit, hier zu warten«, drängt Lachesis. »Sag ja oder nein und dann verschwinde.«

Ein tiefer Atemzug und Aletheia hebt den Kopf. »Ja.«

»Du gehst das Risiko ein?«, versichert sich Lachesis noch einmal.

»Habe ich denn eine andere Wahl?«, knurrt Aletheia zurück. »Öffne mir den Schutzschild, ich nehme Andi gleich mit.«

Lachesis schnaubt. »Mit Sicherheit nicht. Die Erde ist unser Revier, du wirst keinen Fuß darauf setzen.«

»Aber …?«

»Sobald du uns das Fläschchen gebracht hast, sorgen wir dafür, dass Andi nach Philian kommt. Kümmere du dich in der Zwischenzeit lieber darum, wie du sein Verschwinden vor Zahur rechtfertigen willst.«

Aletheia schluckt.

Um Lachesis Mund spielt ein höhnisches Lächeln. »Die Verantwortung für die Entführung und alles danach, liegt allein bei dir.« Ein scharfer Blick. »Zu den gleichen Bedingungen wie bisher.«

»Nein«, stößt Aletheia hervor. »Ihr könnt mir nicht allen Ernstes die Hände binden. Was ist, wenn etwas aus dem Ruder läuft?«

»Uns läuft nichts aus dem Ruder«, zischt Lachesis. »Wir verstehen unser Handwerk.«

»Und was ist mit dem Daimon?«

»Mit dem kommen wir schon klar, mach dir keine Sorgen. Hauptsache du pfuscht uns nicht dazwischen und bringst mit deinem mangelnden Geschick wieder alles zum Scheitern.«

Aletheia presst die Lippen aufeinander.

»Ha, jetzt weißt du, warum Aletheia immer gezögert hat, in das Geschehen einzugreifen«, ruft Lintea und trällert gleich darauf: »Sie da-arf nicht!« Ein paar leuchtende Punkte hüpfen über die Bildfläche. »Aus Angst, die Mitarbeit der Moiren zu verlieren hat sie nicht einmal gewagt, ihren geliebten Elia aus den Klauen des Gedankenräubers zu befreien. Wenn du nicht eingegriffen hättest …« Ihr Ton wird schnippisch. »Da hast du dich ja ganz schön von der kleinen Göttin an der Nase herumführen lassen. Die Moiren sind für den Rettungsplan zuständig nicht Aletheia! In Wahrheit bist du gegen die Schicksalsschwestern angetreten. Wie schmeckt dir das, Daimon?«

»Mach kein Drama draus«, knurre ich. »Ich habe die Wette ja trotzdem gewonnen.«

»Anfängerglück«, schnaubt die Leinwand.

Ich grinse. Um einen fünftausend Jahre alten Daimon Anfänger zu nennen, muss man schon gehörig verschroben sein.

»Ich bin nicht verschroben«, empört sich Lintea. »Oder willst du allen Ernstes leugnen, dass du dir den Abschluss der Wette zweimal überlegt hättest, wenn dir bewusst gewesen wäre, dass du in Wahrheit gegen die Moiren antreten musst?«

Ich zucke nur lässig mit den Schultern.

»An deiner Stelle«, fährt Lintea spitz fort, »würde ich in Zukunft mehr Vorsicht walten lassen, wenn du irgendwelche Verträge mit dieser Göttin der Wahrheit abschließt. Sie ist eine Betrügerin.«

»Deine Sorge ehrt mich, geliebte Leinwand«, spotte ich. »Könnten wir jetzt trotzdem weiterschauen?«

Lintea brummelt und die beiden Göttinnen erscheinen erneut auf der Leinwand.

Noch immer schaut Aletheia zweifelnd drein.

»Gleiche Bedingungen wie bisher«, knurrt Lachesis. »Ansonsten ist der Handel geplatzt. Wir können nicht auch noch deine Fehler ausgleichen, wenn du es schon nicht schaffst, diesen Daimon unter deiner Kontrolle zu halten.«

Aletheias Brustkorb hebt und senkt sich heftig.

Ein böses Lächeln umspielt Lachesis Lippen. »Dein Risiko, Kleines. Du musst es ja nicht tun, es steht dir immer noch frei, von unserem Handel zurückzutreten.«

Aletheia beginnt, auf dem Wasser hin und her zu gehen.

»Sei nicht so blöd, Aletheia«, knurre ich zur Leinwand hin. »Du brauchst keinen Tifferrosch, frag lieber mich um Hilfe.«

Lintea schnaubt. »Als ob der Preis für deine Hilfe günstiger wäre.«

»Jede Hilfe hat ihren Preis«, fauche ich zurück und steche mit dem Finger Richtung Bild. »Aber dieser Preis ist eindeutig überteuert.«

»Gib dir keine Mühe, Dolos«, bemerkt Lintea trocken. »Niemand bittet seinen Todfeind um Hilfe, egal wie viel Macht er in sich vereint. Und Aletheia erst recht nicht, sie ist verblendet. Sie wird nieals von ihrer schlechten Meinung über dich ablassen. Bevor sie dir Philian überlässt, zerstört sie es lieber selbst. Aber sieh doch selbst.« Sie lässt das Geschehen auf der Leinwand weiterlaufen.

Aletheia unterbricht ihre Wanderung. »Bringt Andi nach Philian«, sagt sie müde, wendet sich um und versinkt augenblicklich in den Fluten.

»Aletheia!«, ruft Lachesis in scharfem Ton.

Die Göttin hält inne und verharrt bewegungslos im Wasser, ohne sich umzusehen jedoch.

»Dies ist das letzte Mal, dass wir etwas für dich tun«, erklärt Lachesis nun in aller Seelenruhe. »Mit Tiepas Durchtritt ins Erwachsenenalter sind alle Bindungen wieder aufgehoben und das Spiel beginnt von vorn. Wage es ja nicht, um unsre Hilfe zu bitten, wenn Tiepa zum Schluss doch noch den Feuerlandprinzen nimmt.«

Mit einem Ton, der wie ein Schluchzen klingt, versinkt Aletheia vollends in den Fluten. Das leere Flakon mit ihr.

»Verdammte Scheiße!« Ich boxe meine Faust auf den Diwan. »Zeige mir Sulah, schnell.«

Auf der Leinwand erscheint eine junge Frau am Grunde des Weihers, in dem Aletheia soeben versunken ist, versteckt hinter einem großen Stein. Das lange Haar der Nixe wogt um ihren Kopf, sie hat die Hände vors Gesicht geschlagen, als ob sie weinte.

»Nutze das Zeitfenster, um mir zusätzliche Minuten zu verschaffen«, weise ich Lintea an. »Ich muss mit Sulah reden, bevor Aletheia hier eintrifft. Verlege unser Gespräch in die Vergangenheit, kriegst du das hin?«

»Klar«, brummt Lintea. »Wenn du willst, kann ich dir bis zu einer Stunde Zeit herausarbeiten.«

»Zehn Minuten genügen«, sage ich knapp und richte meinen Blick auf die Nixe. »Sulah«, spreche ich sie an. »Hast du die Unterhaltung mitbekommen?«

Die Nixe hebt den Kopf und sieht sich suchend um. »Ja, aber wer seid Ihr?«

»Das spielt jetzt keine Rolle. Du musst den Untergang Philians verhindern. Andi darf auf keinen Fall ein Leid zugefügt werden, Zahur würde sein Unglück gnadenlos rächen und ganz Philian zerstören. Die Moiren spielen ein falsches Spiel.«

»Ich weiß«, antwortet Sulah leise. »Sie haben mich daran gehindert, mit Elia zu reden, bevor er im Weiher versank. Ich hätte ihn auf die Verbindung mit Jedaah vorbereitet und er hätte die unselige Barriere nie errichtet.«

Womit wir einen weiteren Beweis für die Böswilligkeit der Moiren gefunden hätten. Ich balle die Fäuste. Ein kurzes Gespräch hätte genügt, um Elia auf die Verbindung mit Jedaah vorzubereiten. Wenn er gewusst hätte, dass er alle Antworten auf seine Fragen sofort in seinem Kopf hören wird, sobald er den Boden Mayas betritt, wäre er nicht in Panik geraten und hätte die Barrikade in seinem Kopf niemals errichtet. Im Vollbesitz seiner Intuition hätte Elia Tiepa niemals der Gefahr des Kescher-Kitins ausgesetzt und wäre rechtzeitig durch die Pforte gekommen. Alles wäre nach Plan gelaufen. Verdammte Moiren! »Dann weißt du also, was du zu tun hast?«, knurre ich.

Sulah schüttelt den Kopf. »Ich kann nicht ernsthaft versuchen, Andi den Durchgang nach Maya zu verwehren. Wenn er Tiepa nicht rettet, wird ganz Philian untergehen.«

»Davon spreche ich nicht. Andi soll Tiepa retten, aber du musst die Operation verhindern.«

Sulah schluckt. »Von welcher Operation sprechen wir?«

»Sie werden ihm die Thymusdrüse entfernen, den Sitz seiner Sehnsucht. Durch sie ist er verwurzelt mit dem Zeitstrom der Erde und sie ist auch der Grund dafür, dass er in Maya nicht atmen kann.«

»Dann ist es doch naheliegend, dass sie ihm …«, wirft Sulah vorsichtig ein, doch ich falle ihr hart ins Wort.

»Nein. Ohne Sehnsucht kann kein Mensch auf Dauer leben, Sulah, weder in Maya noch auf der Erde. Andi würde allenfalls noch ein paar Jahre ohne Freude existieren, bevor er jämmerlich verendet.«

»Wie entsetzlich«, haucht die Nixe.

»Die Moiren wollen Andi opfern«, fahre ich fort. »Aber das ist nicht nötig, er kann auch mit Thymusdrüse in Maya leben. Nicht für lange, aber immerhin lange genug, um Tiepa durch die letzte Zeit bis zu ihrem Durchtritt ins Erwachsenendasein hindurch zu helfen. Solange er sich in Nähe des Zeitstrudels aufhält, kann er atmen.«

»Ihr meint, so, wie sich Elia nur in der Nähe des Weihers aufhalten konnte, ohne Kopfschmerzen zu bekommen?«

»Ja, genau so.«

»Aber wie soll Andi dann mit Tiepa zusammentreffen?«

 

»Tiepa fährt oft in die versunkene Stadt, um in dem Feuerlandbuch zu lesen. Dort werden sie sich auf jeden Fall begegnen, Andi wird sich in sie verlieben und sie an sich binden. Sobald Tiepas Durchtritt stattgefunden hat, bringe ich Andi wieder zur Erde zurück, damit er nicht miterleben muss, wie sich Tiepa einen Anderen zum Mann erwählt.«

»Trotzdem wird ihm die Trennung das Herz brechen«, gibt Sulah leise zu bedenken. »Er wird sich vor Sehnsucht nach Tiepa verzehren.«

»Nein, ich sorge dafür, dass er sich in ein Menschenmädchen verliebt und seinen Liebeskummer vergisst. Aber du musst auf jeden Fall zusehen, dass die Operation nicht stattfindet. Sobald Aletheia den Moiren das Flakon ausgeliefert hat, werden sie Andi zum Weiher bringen und unter dem Schutz der Kuppel die Operation durchführen, damit Zahur nichts davon merkt. Gleich anschließend werden sie ihn durch den Zeitstrudel schicken.«

»Aber ich besitze nicht die Macht, mich den Moiren entgegenzustellen«, ruft Sulah erschrocken.

»Es genügt, wenn du Andi in den Zeitstrudel stößt, bevor die Göttinnen ans Werk gehen. Sie werden den Jungen auf einen Operationstisch legen und sich davorstellen, um ihre Kräfte zu bündeln. Dies ist deine Gelegenheit das Opfer vom Operationstisch zu zerren und unter Wasser zu ziehen.«

 

»Sie werden mich dafür töten«, ruft Sulah.

»Das steht zu erwarten. Doch bedenke, wie viele Leben du mit deinem Leben rettest.«

Sie schlägt ihre Hände vors Gesicht. Ihre Schultern zucken.

»Nur du kannst die Moiren noch stoppen«, fahre ich eindringlich fort. »Dies ist unsere einzige Chance, Zahurs Zorn zu entgehen.«

Eine Weile bleibt es still, dann fragt sie mit kläglicher Stimme: »Und was ist, wenn es Andi nicht gelingt, Tiepas Herz zu erreichen?«

»Dann wird Philian untergehen und dein Opfer war umsonst. – Doch die Chancen, dass der Plan gelingt, stehen nicht schlecht.«

»Aber mir bleibt nicht genügend Zeit, Andi zu erklären, was wir von ihm wollen, wenn ich ihn vom Operationstisch zerre«, jammert Sulah.

»Das darfst du auch nicht, wenn du seine Mission nicht von vornherein unmöglich machen willst. Tiepas Bindung an Elia lässt sich nicht einfach überwinden, nur die reine Liebe eines Tifferrosch ist überhaupt dazu in der Lage. Doch Liebe lässt sich nicht befehlen. Solltest du Andi den Auftrag geben, mit Tiepa zu schlafen, lenkst du sein Augenmerk auf ein festumrissenes Ziel. Damit wird Tiepa zu einer reinen Zweckerfüllung, da bleibt kein Raum mehr, um wahre Liebe zu entwickeln.«

»Aber …«

»Nichts aber«, fahre ich ihr ins Wort. »Ich verlasse mich auf dich, Sulah.« Mit einem Wink bringe ich Lintea dazu, die Übertragung abzubrechen.

»Hättest du ihr nicht lieber noch länger ins Gewissen reden sollen?«, fragt Lintea besorgt. »Immerhin verlangst du den Tod von ihr.«

»Nein. Als Hohe Priesterin ist sie verpflichtet, ihr Leben für das Wohl ihres Volkes zu geben, sie wird alles in ihrer Macht stehende tun, um die Operation zu verhindern.«

»Und was ist, wenn Lachesis gelogen hat? Möglicherweise …«

»Nein, in Aletheias Gegenwart würde sie niemals wagen zu lügen. Alles, was Lachesis gesagt hat, entspricht der Wahrheit.«